Leitungsschutz und Anwenderschutz für Laien erklärt


In diesem Beitrag versuche wir einige Begriffe, die bei der Diskussion um Steckersolar, die neue Steckerssolarnorm und Grenzen zu erklären.

Diskussion über relebante Standards beim Plug in Seminar an der Intersolar 2025

Grundsätzlich wurde in der Stecker Solarnorm von 2018 VDE AR-N 4105:2018 die Nutzung von Steckersolar erlaubt. Damals waren aber wahrscheinlich weniger als 100.000 Geräte überhaupt in Betrieb, was viele Gründe hatte: Relativ hohe Preise, Notwendigkeit durch einen Elektriker Anzumelden bei Netzbetreiber und Marktstammdatenregister, große Skepsis, aber auch wenig technische Erfahrungen – sprich man war damals vorsichtig, auch weil man weltweit Vorreiter war.

Dazu die Deutsche Gesellschaft für Solarenergie auf ihrer Website:

Die Vornorm VDE V 0100-551-1:2018 erlaubt die Einspeisung von Solarstrom aus Steckersolargeräten in Endstromkreise. Dabei ist eine „spezielle Energiesteckdose (z.B. nach VDE V 0628-1)“ vorgegeben. In Fachkreisen ist strittig, wie das Schutzziel der Norm erreicht werden kann. Die Vornorm schreibt – vor allem durch den Zusatz „z.B.“ – keinen konkreten Stecker vor. Die VDE V 0628-1 beschreibt den so genannten „Wieland-Stecker.
Der VDE|FNN interpretiert (!) dies als Vorgabe, dass nur der „Wieland-Stecker“ als Einspeisesteckdose verwendet werden darf. Viele Netzbetreiber folgen dieser Interpretation.
Die DGS interpretiert (!) die Norm – insbesondere aufgrund des „z.B.“ – so, dass bei Einhaltung von Sicherheitsanforderungen (z.B. des DGS-Sicherheitsstandards) das Schutzziel der Norm auch auf andere Weise erreicht werden kann (z.B. durch den vorgeschriebenen NA-Schutz des Wechselrichters) und daher auch eine Schuko-Steckdose eine „spezielle Energiesteckdose“ ist, die hier eingesetzt werden kann.
Die DGS kritisiert seit Verabschiedung der Vornorm, dass die Anforderung an einen Stecker im Endstromkreis in dieser Vornorm, in der es um netzseitige Vorgaben geht, nichts zu suchen hat und dort fachlich falsch eingeordnet ist.”


Quelle: https://www.dgs.de/projekte/pvlotse/steckersolar-geraete/


Diese Vorgaben wurden unter zwei Aspekten gemacht: Dem Leitungsschutz und dem Anwenderschutz.

VDE auf Messe

Leitungsschutz

Leitungsschutz bedeutet, dass die elektrische Hausinstallation, also die Kabel und Leitungen im Gebäude, vor Überlastung geschützt werden. Das ist wichtig, weil zu viel Strom in einer Leitung dazu führen kann, dass sie heiß wird und im schlimmsten Fall ein Kabelbrand entsteht.

Gerade bei der Einführung von Stecker-Solargeräten hatten und haben viele Fachleute Angst, dass Anwender mehrere solcher Geräte einfach zusammen mit normalen Mehrfachsteckdosen betreiben, auch zusammen mit vielen Verbrauchern.

Genannt wurde als Szenario immer der Kindergeburtstag: Weil etwa viele Friteusen zur Versorgung hungriger Kinder in kurzer Zeit benötigt werden, schließt der Verbraucher diese zusammen mit mehreren Stecker Solar Geräten an eine Mehrfachsteckdose an. z.B. 3 x 800 Wp Steckersolar und 4 x 1200 Watt Friteuse. Würden diese Friteusen ohne die Steckersolargeräte an der Außensteckdose betrieben, würde der Leitungsschutzschalter (umgangssprachlich “Sicherung”) auslösen. Da aber dieser den Strom gar nicht “sieht”, passiert nichts und ggf. erhitzt sich die Mehrfachsteckdose oder eine Leitung oder alte schlechte Kontaktstelle und schmilzt oder brennt.

Hier sollte eine sonst nicht im Haushalt verfügbare Steckdose-Stecker-Verbindung die Leitung und damit auch das Haus vor Bränden schützen.

Wenn die Wieland-Steckdose auf dem Balkon an derselben Sicherung wie weitere normale Schukosteckdosen z.B. im Wohnzimmer hängt, dann ist eine Überlastung ebenso denkbar.

Der Leitungsschutz wird also durch eine Wieland-Steckdors nicht verbessert.

Weiterhin gibt es inzwischen breit verfügbar – 2018 war das nicht der Fall – auch “große” Kleinwechselrichter mit bis zu 2200 Wp Leistung, die auch noch miteinander verkettet werden können. Auch hier würde die spezielle Einspeisesteckdose nicht vor dem Anschluss solcher “Steckersolargeräte”, etwa durch die Bewohner eines Attikageschoss mit umlaufendem Balkon, schützen,

Definition Endstromkreis: = Verbraucherstromkreis der mit einer Überstromschutzeinrichtung, z.B. Sicherung, abgesichert ist

Zudem gab es inzwischen Messungen und Studien, die sich genau mit dem Thema Erhitzung von Leitungen in isolierten Wänden befassen und so war das Problem bzw. die Parameter, unter denen es zu Überhitzung kommen kann, besser greifbar. Vor allem ist es ein Problem das nur bei Kabeln die in sehr gut isolierten Wänden verlegt sind, vorkommen kann.

Man kann auch über einen Verteilerblock mit Wieland Dose mehrere Kleinwechselrichter koppeln

Anwenderschutz

Der zweite Aspekt, unter dem eine spezielle Einspeisesteckdose-Stecker-Kombination gefordert bzw. diskutiert wurde, war der Anwenderschutz.

2018 waren nur wenige Steckersolargeräte auf dem Markt und die Hersteller waren klein und hatten weniger technische Erfahrung.

Zunächst: Der Sinn von Steckern und Steckdosen ist, dass der Anwender ohne Kontakt zu stromführenden Teilen Verbindungen herstellen und auch wieder lösen kann. Das soll je nach Stecker wenige Male oder viele 1000 Male zuverlässig passieren Außerdem soll der Stecker fest in der Dose bleiben, auch nach vielen Jahren und zig Steckvorgängen den Strom übertragen und nicht etwa wackeln oder rausfallen. Wer viel ICE fährt, der kennt das Problem, denn in einigen Wagen und Sitzen sind die Dosen inzwischen stark ausgeleiert und das Handyladegerät sitzt nicht mehr fest.

Seit es Schukostecker gibt, wird über einen Nachteil im Design der Stecker diskutiert: Im ausgesteckten Zustand kann der Anwender an die Klingen fassen und der Stecker ist nicht verpolungssicher. NEIN! Die Länge der PINs und die Tiefe der Dose sind aufeinander Abgestimmt!

Dabei ist der Schukostecker schon deutlich sicherer als etwa die in den USA verwendeten (sog. NEMA 1-15 ungrounded oder Type A Stecker). Diese haben nämlich den Nachteil, dass sie auch im halb eingesteckten Zustand Strom übertragen können. Und da passt durchaus ein (kleiner) Finger dazwischen und ist deutlich anfälliger für herausrutschen.

Das hat unter anderem damit zu tun, dass dieser Stecker bereits in den 1910er Jahren patentiert wurde, der Schuko Stecker erst in den 1930er Jahren und die Experten und Tüftler das schon bedenken konnten.

Steckersystem, wie etwa in UK oder der IEC 60906-1 Normstecker (der mal für die ganze Welt oder Europa Norm werden sollte), die später aufkamen, sichern sich dagegen ab, indem sie um das Ende der Metallklinge zum Stecker hin, diese mit Plastik überziehen. So kann auch ein halbeingestecker Stecker keinen Strom übertragen.

Was hat das mit Wechselrichtern im Speziellen zu tun?

Letrika 260 Wechselrichter, das Zertifikat wurde 2015 ausgestellt!

Es ist nicht auszuschließen, dass ein Anwender unter Last – das heisst bei scheinender Sonne auf das Steckersolargerät – dieses von der Steckdose trennt . Das muss der Wechslrichter „erkennen“ und sich dann Sicher ausschalten, damit keine Spannung an den Stiften des Steckers anliegt!

Das Problem der Spannung am abgesteckten Stecker gibt es durchaus auch bei anderen Haushaltsgeräten. Etwa bei Staubsaugern: Stecker ziehen, der Motor des Staubsaugers läuft weiter durch seine Massenträgheit (Luftschaufel) und wird in diesem Moment zu einem Generator. Hier ist in der Norm definiert, dass noch bis zu 8 Sekunden Spannung anliegen darf. Auch bei alten Röhrenfernsehern war es möglich, dass dies – die Röhre ist wie ein Kondensator, der Strom speichert – noch einige Sekunden nach dem Ausstecken Spannung auf dem Stecker hatten.

Die neue bzw. geplante oder angekündigte Steckersolarnorm VDE 0126-95, wie auch der DGS Sicherheitsstandard, löst diese Sicherheitsfrage auf drei Wegen:

  • direkter Anschluss an das Hausnetz: Dann kann der Nutzer es nicht ausstecken, sprich nicht an eine Klinge fassen.
  • Stecker mit Berührungsschutz um die Klingen, etwa Wieland-Stecker und Wieland Dose. In diesem Zusammenhang wird auch ein modifizierter Schukostecker diskutiert, der etwa kleine Plastikhüllen um die Klingen hat.
  • “normaler” Schukostecker und eine doppelte Abschaltautomatik im Wechselrichter.

Diese Abschaltautomatik muss doppelt ausgeführt sein und auch fehlersicher, daher wenn sie selbst erkennt, dass mit dem Wechselrichter etwas nicht stimmt, diesen ausschalten.

Zum einen gibt es ein Relais, also einen Schalter, der durch elektrischen Strom geschaltet wird. In diesem Fall ist es geschlossen – Strom kann fließen, wenn eine Netzspannung anliegt, andernfalls geht das Relais auf und kein Strom kann fließen.

Relais sind auch keine besonders krasse Wundertechnik: Ein Relais ist ein Schalter, der nicht von Hand, sondern mit Hilfe eines Elektromagneten betätigt wird. . In unserem Fall ist das ganz einfach: so lange 240 V vom Stromnetz anliegen, sorgt der Elektromagnet dafür, dass das Relais geschlossen ist. Fehlen die geht er auf und es wird auch kein Strom eingespeist.

Man findet Relais auch etwa in Fluren, damit man an jedem Eingang des Flurs das Licht an- und ausschalten kann oder etwa zur Steuerung von großen Lasten, etwa beim Laden von Elektroautos.

Zum zweiten schaltet der Mikroprozessor im Wechselrichter diesen aus. In jedem Wechselrichter gibt es einen Mikroprozessor, der stets schaut, wie er aus dem vom Solarpanel angebotenen Gleichstrom den meisten Wechselstrom machen kann. Ihm kann man zum einen sagen, dass das nur wenn er mit einem Stromnetz unter Spannung verbunden ist Strom liefern darf. Zusätzlich kann man auch eine Obergrenze der Umwandlung einprogrammieren, etwa 800 Watt.

Nach Norm muss der Wechselrichter in 0,2 Sekunden die Klinge stromlos schalten.

Diesen Wert strikt einzuhalten liegt auch im wirtschaftlichen Interesse der Hersteller, da sie sonst mit Rückrufaktionen und auch bei Schäden mit Produkthaftung und Schadenersatz befasst wären.

Hersteller, die sich hier Skandale leisten, wie etwa Deye, verschwanden in Folge weitgehend vom Deutschen Markt und sogar andere Segmente (große Wechselrichter) waren betroffen.

Leitungsschutzschalter / Sicherung

ABB 16 Ampere Sicherungen

Was wir “Sicherung” nennen und im Sicherungskasten angebracht ist, nennt der Fachman einen Leitungsschutzschalter (oft abgekürzt LS-Schalter“). Dieser schützt die elektrischen Leitungen im Haus davor, dass sie überlastet oder durch einen Kurzschluss beschädigt werden. Üblicherweise sind normale Stromkreis in Wohnungen so ausgelegt, dass dauerfaht 3600 Watt bei 230 V Spannung aus diesen bezogen werden können. Da hier die Stromstärke relevant ist, spricht man von Ampere. Normale Leitungen sind mit 16 Ampere abgesichert.

Überlastungsschutz: Wenn man zu viele Geräte in einem Stromkreis betreibt (z. B. mehrere Heizlüfter am gleichen Stromkreis, egal ob über eine Mehrfachsteckdose oder über Steckdosen, die alle an den gleichen Stromkreis angeschlossen sind, dann fließt mehr Strom, als die Kabel sicher vertragen können.Das verhindert der Leitungsschutzschalter und schaltet den Stromkreis ab, bevor die Leitung heiß wird und ein Brand entstehen kann.

Eine weitere Funktion ist der Kurzschlussschutz: Wenn ein Stromleiter plötzlich direkt mit einem anderen oder mit Erde verbunden wird (z. B. ein Nagel durch ein Kabel), fließt extrem hoher Strom in sehr kurzer Zeit. Der Leitungsschutzschalter reagiert sofort und unterbricht den Stromfluss in Millisekunden.

Sprich der Leitungsschutzschalter ist es, der das Haus vor Bränden schützt.

Diese Auslegung der Leitungen auf eine bestimmte Menge an Strom, bestimmt zum einen die Auslösegrenze des Leitungschutzschalters, nämlich mehr als 16 Ampere und auch die Einspeisung die ein Steckersolargerät maximal haben kann ohne, dass die Toleranzen der Leitung, von der man ausgeht, das sie vollständig mehrere Stunden lang belastet würden, ausgereizt wird.

Steckersolar schafft nun die Möglichkeit, das Strom in einer Leitung ist, die der Leitungsschutzschalter nicht sieht. Das ist aber bis zu einer bestimmten Obergrenze von den Toleranzen und Reserven der Drähte abgedeckt. Das ist auch der Grund, warum das Normungskomitee die Einspeisung der Wechselrichter auf 800W begrenzt. Würde man deutlich größere Leistungen einspeisen und auch gleichzeitig große Stromverbraucher betreiben, dann könnte das eben den Stromkreis überlasten.

Auch „Lieschen Müller“, die keine Ahnung von Technik hat muss das auch sicher betreiben können!

Wichtig: Könnte! So wie es an bestimmten Stellen im Straßennetz eben nur sicher ist 30 zu fahren, auch wenn man 150 fahren könnte. Und es eben an anderen Stellen als sicher angesehen wird 150 fahren zu können.

FI / RCD / Fehlerstomschalter

RCD (rechts unten), Sicherungen in einem etwas älteren Sicherungskaten

RCD steht für Residual Current Device, auf Deutsch meist Fehlerstromschutzschalter oder einfach FI-Schalter. Ein RCD misst ständig, wie viel Strom durch die Phase reinfließt und durch den Neutralleiter zurückfließt. Im Normalfall ist der Strom, der in den Stromkreis hineinfließt, gleich dem Strom heraus, der herausfließt.

Wenn irgendwo im Stromkreis ein Fehlerstrom abfließt, z. B. durch einen beschädigten Draht oder den Körper eines Menschen fließt ein Teil des Stroms nicht mehr zurück durch den Neutralleiter, schon sehr kleine Unterschiede etwa z. B. 30 mA lösen den RCD aus. Der Schalter trennt dann sofort (innerhalb von Millisekunden) den ganzen Stromkreis vom Netz.

Dieser RCD ist wiederum Teil des Anwenderschutz: Strom, der durch den Körper fließt, kann lebensgefährlich sein. Der RCD trennt schneller ab, als der Strom einen Herzstillstand verursachen kann, deshalb funktionieren heute etwa Suizide mit dem Föhn in der Badewanne nicht mehr.

Gleichzeitig sorgt das auch für Brandschutz: Auch kleine Kriechströme in defekten Kabeln können Brände auslösen, der RCD bemerkt sie und schaltet ab.

Für bestimmte Bereiche, wie Außensteckdosen und Feuchträume waren RCD schon immer Pflicht. Wenn man z. B. einen neuen Stromkreis installiert oder erweitert, gilt die aktuelle Norm die immer eine RCD Pflicht vorsieht!

Anti-Islanding

Ein Balkonkraftwerk bzw jeder Wechselrichter der was Strom einspeist verfügt über eine “Anti-Islanding” Funktion. Die sorgt bei Stromausfall dafür, das sich der Wechselrichter ausschaltet auch wenn Verbraucher mit ihm verbunden sind, die ihm vortäuschen es gäbe ein Stromnetz. Ohne Anti-Islanding würde der Wechselrichter weiter Strom ins Hausnetz einspeisen. Über deinen Hausanschluss könnte dieser Strom sogar zurück ins öffentliche Netz gelangen. Die Monteure erwarten aber, dass alles spannungsfrei ist und arbeiten an der Leitung. Mit Anti-Islanding erkennt der Wechselrichter den Netzausfall sofort und trennt sich automatisch vom Netz. So eine kleine Inselversorgung ist meist instabil: Frequenz und Spannung schwanken stark, was Schäden an Geräten möglich macht.

Konstruktion einer Brücke in Indonesien 29.8.2010
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