Einspruchsberatung Steckersolar

„Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden.“

Wird als Zitat Otto von Bismarck zugeschrieben, stammt aber wahrscheinlich von von dem amerikanischen Rechtsanwalt und Schriftsteller John Godfrey Saxe.

Wenn man der Einspruchsberatung zum Entwurf E DIN VDE V 0126-95 (VDE V 0126-95):2024-06 „Steckersolargeräte für Netzparallelbetrieb – Grundlegende Sicherheitsanforderungen und Prüfungen“ beiwohnen durfte, dann will man ergänzen:

Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste und Normen gemacht werden, desto besser schlafen sie.“

Sebastian Müller nach der Sitzung

Ich fuhr also nach Frankfurt um in einem zu kleinen Raum, gegenüber vom Hauptbahnhof zusammen mit 40 Männern und zwei Frauen zu sehen wie das „DKE/K 373 Photovoltaische Solarenergie-Systeme“ und die Stellungnehmenden zusammen kommen um über die neue Steckersolarnorm zu beraten.

Der Kanal mit kleiner Einführung in die Problematik und Kuriositäten des Normungsprozess:

Anwesend waren doch einige der Leute die man aus der Steckersolarszene so kennt: Ralf Haselhun (DGS), Hermann Laukamp als Vorsitzender des DKE/K 373 und als Einwender auch Marc Niemann (Marc testet), Alexander Krenek von Enphase, Jörg Sutter (DGS), Christian Ofenheusle (machdeinenstrom.de), Qian Qin von We.Do.Solar, Christian Waller (Der Kanal) und viele andere mehr. Das ganze war etwas unübersichtlich weil der Raum eigentlich zu klein war, man etwas beengt saß. Zur Unübersichtlichkeit trug dann noch bei, das einige der Komissionsmitglieder zwischen den Einwendenden saßen und auch nicht immer in der Diskussion oder durch die Namensschilder klar wurde, wer jetzt wer war. Zudem hatten scheinbar auch Komissionsmitglieder selbst Einwendungen formuliert. Bis zum Schluss war mir nicht ganz klar wer nun Mitglied der Komission ist und wer nicht.

Station Lounge gefunden. Raum ist gerammelt voll 40 👨🏼‍🔧, eine 👩. Es überwiegen ThinkPads. Zunächst werden die Regelungen erläutert. Einspruchsberatung (heute), dann zweistufiges Schlichtungsverfahren. Ein Schiedsverfahren gibt es bei Vornormen nicht. Es soll ein Konsens erziehlt werden.

[image or embed]

— BalkonSolar (@balkon.solar) 11 December 2024 at 10:31

Die Sitzung begann dann damit, dass zunächst das Verfahren erläutert wurde: Einspruchsberatung (heute), dann zweistufiges Schlichtungsverfahren. Ein Schiedsverfahren gibt es bei Vornormen nicht. Zum Ende war auch klar, dass es auf jeden Fall in das Schlichtungsverfahren laufen wird und eine weitere Sitzung im Januar 2025 brauchen wir, da wir nicht fertig wurden. Zudem gibt es wohl in einem Teil der Norm einen Wiederspruch zu einer anderen Norm. Das kann aber der Vorstand des VDE als Ausnahme genehmigen.

Es gab auch zu Beginn einige Infos zu Punkten zu denen es viele Einwendungen gab:

  • Anwendungsbereich Produktnorm: Die richte sich an Hersteller und Prüfer, nicht an Anwender
  • Warum Speicher ausgenommen sind
  • Die Leistungsbegrenzung auf 960 Wp. Das war auch in der Sitzung am umstrittensten. Da argumentierte die Kommission, das es keine Studie gäbe, das mehr sicher sei. Alexander Krenek von Enphase sagte zu zusammen mit der Kommission eine Studie in Auftrag zu geben, die hier Daten liefert.
  • „Kreuzverbau / DC-Steckverbinder“, daher die Kombination von unterschiedlichen Steckerverbindungen also MC4 kompatibler Stecker von unterschiedlichen Herstellern
  • der geforderten „5 Meter Anschlussleitung“, die die Kommission irgendwie für wichtig hält um Mehrfachsteckdosen zu vermeiden.
  • Begleitdokument bzw. Normauslegung, daher es ist geplant mit der Veröffentlichung der Norm (irgendwann), dann auch ein Dokument zu veröffentlichen, damit die Menschen es auch verstehen.

Nun gibt es eine Diskussion. VDE V 0100-55-1 bzw die europäische Norm bzw IEC erlaubt keine Einspeisung über eine normale Steckdose. Daher Normen im Widerspruch, nun muss der VDE Vorstand geklärt werden. Sowas kann zulässig sein. VDE 0022

— BalkonSolar (@balkon.solar) 11 December 2024 at 12:53

Mit dem Schlichtungsverfahren wird es dann auf jeden Fall Herbst 2025 bis es zu einer neuen Norm kommt. Inwieweit die dann schon überholt sein wird, weil ganz viele Systeme die jetzt verkauft werden, schon Speicher haben und die Norm das ausklammert – also weder Speicher verbietet, noch irgendwie reguliert – darüber kann man nur spekulieren.

Zudem gibt es im ganzen Verfahren noch eine Krux: Eigentlich müsste es noch Änderungen in der Norm geben die Schukostecker regelt, das macht aber ein anderes Gremium.

Rein formal läuft so eine Sitzung so ab: Anhand einer Liste der Einwendungen werden diese und die Formulierungsvorschläge aufgerufen, dann sagt die Kommission warum sie den abgelehnt oder übernommen hat. Dann sprechen die Einwender – theoretisch dürfen nur die Einwender sprechen die bei einem bestimmten Punkt eine Einwendung gemacht haben – das wurde aber eher locker gehandhabt, dann aber mehrfach aufgerufen sich doch daran zu halten.

Was hier irgendwie geordnet und rational klingt, findet aber vor einer innerhalb der Kommission und mit anderen geführten Auseinandersetzung statt. Die Konfliktlinie scheint zu sein, ob man tatsächlich „laieninstallierbare“ Steckerssolargeräte für möglich hält oder für gefährlichen Kram.

Und das Normungsverfahren dauert jetzt schon viele Jahre, daher die Mitglieder der Kommission haben schon lange Zeit gehabt sich zu beharken und zu streiten. So war es dann auch immer wieder, dass es in der Sitzung laut wurde, man sich gegenseitig „Unverschämtheit“ vorwarf oder mangelnde konstruktive Arbeitsweise beklagte. Dabei war mir nicht klar ob die Vorschläge teils wirklich nur auf die Sicherheit abzielten oder auch darauf die Laieninstallierbarkeit an manchen Stellen irgendwie zu unterwandern. Oder doch wieder seltsame Regelungen einzubauen, so gab es eine lange Diskussion ob man nun eine Schukosteckdose über die eingespeist wird kennzeichnen muss oder ob es ausreicht den Stecker der einspeist zu kennzeichnen. Und ob man den Aufkleber weg machen muss, wenn man aussteckt.

Sicherlich ist es für ein Normungsgremium erstmal ein guter Ansatz auf hohe Sicherheit zu setzen und zum einen von unverständingen Anwender:innen, sehr schlechten elektrischen Installationen und so weiter auszugehen und sich dann im Zweifel für mehr Sicherheit zu entscheiden, gerade auch wenn wenig Daten oder keine Studien über eine Gefahr vorliegen.

Daneben gibt es auch das Problem, dass es internationale Normen gibt, in einer Art Normenhirachie in denen im Moment das Thema Einspeisen über eine „normale“ Steckdose nicht vorkommt. Was dann eben wiederum dazu führt, das wir in Deutschland ein sehr offene Regelung haben – Einstecken irgendwie möglich – in anderen Ländern (Finnland, Schweden, Dänemark) ist es verboten. Gleichzeitig scheint es das Problem zu sein, das etwa die Steckernorm nicht vorsieht einzuspeisen.

Für die Industrie, aber auch für interessierte Nutzer:innen oder die Community wäre es dann eine Aufgabe, etwa über entsprechende Studien – kann man ggf. auch per crowdfunding finanzieren – die Sicherheit nachzuweisen. Deutschland kommt da sicher als größter Markt für Steckersolargeräte in Europa, vielleicht sogar der Welt, eine besondere Funktion zu. Relativ wenig Sinn macht es, da auf Social Media oder in Foren rumzuranten.

Allerdings muß ich auch sagen, dass die Atmosphäre in der der Beratung doch ein wenig speziell war, die schwankte zum einen von Loriot Sketch, Gremiensitzung an einer Uni in denen vertreter des kommunistischen Aufbau so tun als wären sie konstruktiv, aber in Wahrheit obstruieren, Altherren Gelächter, gegenseitigen Vorwürfen und auch doch sachlichem Austausch. Daneben wirkte auch das Sekretariat so, dass sie große Lust haben den Normungsprozess abzuschließen, auch vor dem Hintergrund, das sich das möglicherweise technisch überholt.

Ich persönlich sehe schon noch eine Reihe von Problemen mit der Norm. Das Verbot von MC4 Steckern unterschiedlicher Hersteller, das bei großen Dachanlagen, bei denen sowieso Profis Stecker konfektionieren nachvollziehbar ist, auch aufgrund der hohen Ströme, erscheint mir auch wiederum Probleme zu generieren. Da war zwar die Diskussion, dass eine schlechte Kontaktstelle schon bei einem Solarmodul heiß werden kann und schmelzen oder brennen, ich sehe aber auch die Gefahr schlechter Adapterkabel.

Bei der Begrenzung auf 960 Wp würde ich hoffen, das es aus der angedachten Studie von Enphase eine intelligentere Lösung gibt, die auch Fälle wie unterschiedliche Ausrichtung der Module (800 Ost und 800 West) berücksichtigt. Da finde ich sehr überzeugend was Enphase in ihrem Kommentar geschrieben haben:

„DKE/AK 373.0.4 hat Bedenken hinsichtlich der Zeitdauer, während der 800 VA Leistung ins Netz eingespeist werden, geäußert. Die Begrenzung der DC-Seite löst dieses Problem nicht zuverlässig und ist keine zukunftssichere Lösung. Ein zwischengeschaltetes Strombegrenzungsgerät und andere softwaredefinierte Lösungen können diese Parameter präziser auf als sicher erachtete Niveaus und Zeitdauern begrenzen. Das zukunftssichere Konzept der ‘power control systems (PCS)’, beschrieben in der technischen Norm UL3141 (Link1), erfüllt diese Sicherheitsanforderungen und wurde gerade in die Überarbeitung des EU-Strommarktdesigns (Link2) sowie in dem Entwurf des ‘European network code for demand response’ (Link3) aufgenommen.“

Sonst brauchen wir dringlich Normen im Bezug auf Batteriesysteme, Fensterdurchführungsflachkabel, das Thema Cybersicherheit fehlt völlig. Aber gut ist das eine öffentliche Verlautbarung geben soll.

Veröffentlicht in Alle.