Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministerium der Justiz “zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten”

Gemeinsame Stellungnahme von

  • Balkonsolar e.V.
  • Klimaschutz im Bundestag e.V. 
  • SunCrafter GmbH
  • EmpowerSource
  •  Dr. Andreas Schmitz
  • EigenEnergieWende.de

An: Bundestagsfraktion der Grüne, SPD, FDP,CDU, Bundesministerium der Justiz, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Per E-Mail

Freiburg, den 25.05.23

Betreff: Stellungnahme Referentenentwurf “zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten”, vom 17.05.2023 (Bearbeitungsstand 17.5.23 12:42)

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Minister Buschmann,
sehr geehrter Herr Minister Habeck,

uns liegt der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz eines “Gesetzes zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen” im Bearbeitungsstand 17.05.2023 12:42 vor. Wir beschränken unsere Stellungnahme auf den Teil betreffend Steckersolargeräten.

  1. Allgemeine Stellungnahme zur Thematik

Richtigerweise beabsichtigt der Entwurf, die Hindernisse im Wohnungseigentumsrecht und dem Mietrecht bezüglich des  Anbringens von Steckersolargeräten – nicht nur am Balkon – zu beseitigen. Er trägt damit zur Entbürokratisierung bei und schafft neue Freiheiten für die Bürger:innen sich konstruktiv und kostensparend an der Energiewende zu beteiligen. Es erlaubt Unternehmen neue innovative Produkte und Wertschöpfungsmodelle zu schaffen.

Oftmals werden durch das Anbringen von Steckersolargeräten Verhaltensänderungen und weitere Energiesparmaßnahmen ausgelöst. Bei den Konsumenten steht neben dem Klimaschutz auch der Gedanke des Sparens im Vordergrund. Viele Käufer berichten unserem Verein, dass sie nach dem Kauf angefangen haben ihre elektrischen Geräte durchzumessen, Verbrauch zu reduzieren und ihr Verhalten netzdienlich anzupassen. Darüber hinaus berichten uns Personen, dass Steckersolar der Einstieg in eine größere – teils mit Ei

genleistung kostengünstig realisierte – Anlage war. Gerade die Realisierung in Eigenleistung bietet auch eine Möglichkeit, die knappe Kapazität der Handwerker:innen genau dort einzusetzen, wo sie nötig ist.

Damit einher geht auch eine weitere Dezentralisierung der Energieversorgung, die die Resilienz des Stromnetzes als kritische Infrastruktur stärkt und damit auch im Interesse der öffentlichen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist. 

Wie der Entwurf sachgerecht  ausführt, verringert sich der Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft. Dabei sind diese Werte aus unserer Einschätzung eher knapp kalkuliert, gerade auch Diskussionen in Eigentümergemeinschaften fordern häufig viel Zeit und binden die Ressourcen zahlreicher Personen.

  1. Stellungnahme zum Wortlaut der Änderungen

Im Folgenden nehmen wir zu dem Wortlaut der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen Stellung:

Änderung im Wohnungseigentumsgesetz

§ 20 Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt geändert:

“ § 20 Bauliche Veränderungen

(1) Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.

(2) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die

1. dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,

2. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,

3. dem Einbruchsschutz, 

4. dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität und

5. der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte 

dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.”

➔ Wir begrüßen diese Formulierung. 

Sie ist aus unserer Sicht weit genug gefasst, den Themenkomplex Steckersolargeräte vollständig zu erfassen, enthält keine unnötigen Einschränkungen und schafft Rechtssicherheit für alle Beteiligten. 

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

§ 554 wird wie folgt geändert:

§ 554 Barrierereduzierung, E-Mobilität, Einbruchsschutz und Steckersolargeräte

“1) Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchsschutz oder der Stromerzeugung durch Stecker- solargeräte dienen. Der Anspruch besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann.”

➔ Wir begrüßen diese Formulierung. 

Sie ist analog zu der WEG-Regelung, was der Vereinheitlichung von WEG und BGB dienlich ist und gewährt Mietern die gleichen Rechte. 

  1. Verbesserungsvorschläge

Nichts desto trotz gibt es aus unserer Sicht einige Verbesserungsvorschläge (a-c), die dazu dienen können, Rechtsunsicherheiten zu vermeiden und das Gesetz allgemein zu verbessern:

a. Unzureichende Gesetzesbegründung (Änderung von § 20 WEG)

Sowohl in Teil A als auch in dem etwas genauer ausgeführten Teil B ist die Gesetzesbegründung sehr dürftig. So stellt die Begründung zwar fest, dass die Installation eines Steckersolargerätes regelmäßig eine bauliche Veränderung darstellt, die es zu privilegieren gilt, geht jedoch kaum darüber hinaus. Sehr zu begrüßen ist, dass festgehalten wurde, dass eine “grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne von § 20 Absatz 4 WEG bei  der  Installation  von  Steckersolargeräten  regelmäßig  nicht  vorliegen,  und  zwar  auch dann nicht, wenn solche Geräte von mehreren oder gar allen Einheiten installiert werden.” Ebenfalls zu begrüßen ist, dass auf technische Vorgaben aufgrund des schnellen Fortschritts verzichtet wurde.

Wir würden hier eine ausführlichere Begründung begrüßen, die darlegt, wie sich der Gesetzgeber den Gebrauch vorstellt und wie weit das Ermessen (“wie”) der Eigentümergemeinschaft gehen darf und dabei gegenüber dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und dem Staatsziel Klimaschatz abzuwägen ist. Eine solche ausführlichere Begründung würde es tendenziell eher vermeiden, dass Details und Interpretation des Anspruches erst im Rahmen von Kommentierungen und Gerichtsentscheidungen im Laufe der nächsten 2-5 Jahre mühsam ausgearbeitet werden müssen und deutlich früher Rechtssicherheit schaffen.

Aus unserer Sicht sollte in der Gesetzesbegründung folgenden Aspekten näher ausgeführt werden:

  • Optische Sichtbarkeit: Balkonkraftwerke sind aufgrund von Ertrags- und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen oft an der Außenseite von Balkonbrüstungen installiert und gelten daher aufgrund deren optischer Sichtbarkeit dann oft als bauliche Veränderung, auch wenn sie ohne Substanzeingriff montiert wurden. Eine solche Erwähnung stellt zweifelsfrei klar, dass das Gesetz im Regelfall eine sichtbare Montage gestattet und die WEG nicht im Rahmen ihrer Ausführungsbestimmungen (“Wie”) darüber entscheiden können, nur nicht sichtbare Steckersolargeräte zu erlauben – etwa zurückversetzt im Schatten (unwirtschaftlich) oder auf dem Balkon selbst aufgestellt (Wohnraumreduzierung). Als Formulierung könnte etwa folgender Absatz aufgenommen werden:
    Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne von § 20 Absatz 4 WEG wird bei  der  Installation  von  Steckersolargeräten  regelmäßig  nicht  vorliegen,  und  zwar  auch dann nicht, wenn solche Geräte von mehreren oder gar allen Einheiten installiert werden und die Installation der Geräte dabei sichtbar erfolgt, beispielsweise an der Außenseite einer Balkonbrüstung.”
  • Rahmensetzung für Ausführungsbestimmungen (“Wie”) durch die WEG: Die Begründung sollte sich damit beschäftigen, wie weitreichend die Ausführungsbestimmungen der WEG aus Sicht des Gesetzgebers sein dürfen. Das Ziel im Sinne des Gesetzes sollte sein, nur vernünftige WEG-Einwände zuzulassen und keine Hintertür zu öffnen, den Anspruch abzulehnen. Wir würden hier eine eher breite Auslegung des Anspruchs und weniger Regelungskompetenz der WEG begrüßen. Mögliche Formulierungen wären:
    “Der Staat schützt die natürliche Lebensgrundlage auch zukünftiger Generationen. Steckersolargeräte können hier aufgrund ihrer Beschaffenheit als Erneuerbare Energiequellen dem staatlich verankerten Ziel des Klimaschutzes und der Beschleunigung der Energiewende dienen. Der resultierende Anspruch auf Installation von Steckersolargeräten ist daher breit auszulegen und die Ausführungsbestimmungen der Gemeinschaft sollte sich auf das absolut notwendige Mindestmaß beschränken.”
  • Vereinheitlichung von WEG und BGB aufgrund Tendenz einer divergierenden Rechtssprechung: In jüngster Zeit ist eine Tendenz erkennbar, dass Mietern der Gebrauch eines Steckersolargerätes aufgrund § 242 BGB tendenziell eher gestattet wird, während letzte Entscheidungen aus dem Frühjahr 2023 einen solchen Anspruch für WEGs verneinen. Das Gesetz hat hier den Anspruch WEG und BGB zu harmonisieren.
  • Erwähnenswert wäre ebenso eine breite Auslegung des Anspruchs, welches sich – Analog den Forderungen unserer Petition (siehe https://balkon.solar/news/2023/01/30/petition/) – auf die Erzeugung, Speicherung oder Weitergabe von Energie dient. Mögliche Formulierungen wären:

“Der resultierende Anspruch auf Installation von Steckersolargeräten ist breit auszulegen und erstreckt sich ebenfalls auf die notwendige Installation zum sinnvollen Betreiben eines solchen Gerätes. Dies umfasst insbesondere die Energieerzeugung, deren Speicherung und die Weitergabe von Energie.”

b. A. Allgemeiner Teil – In Teilen nicht belegte Schätzungen (Erfüllungsaufwand VI.4)

Uns erscheinen einige der Schätzungen für den Erfüllungsaufwand in der Gesetzesfolgenabwägung als zu ungenau.

  • Nach Branchenangaben und BMWK Informationen sind aktuell in Deutschland ca. 250.000 Steckersolargeräte in Betrieb und nicht 190.000 wie im Entwurf geschätzt. Ein Ausschluss von Gewerblichen Nutzern (25%) erscheint nicht zielführend, diese können ja ebenfalls Mieter oder Wohnungseigentümer sein. Daher würden sich aktuell ca. 72.500 statt 41.325 Anlagen ergeben, die das Gesetz betrifft – mit stark steigender Tendenz.
  • Darauf basierend schätzen wir den jährlichen Zuwachs ebenfalls höher ein.
  • Die Aufwandsschätzungen für eine Antragsstellung sind zwar belegt, aber aus unserer Erfahrung ist dieser aufgrund er zahlreichen Rückfragen, Anforderungen deutlich höher einzuschätzen. Üblicherweise benötigen Eigentümer oder Mieter derzeit einige Stunden, um alle Informationen zusammenzustellen, die teilweise gefordert werden.
  • Zustimmung bei 2/3 der Anträge: Diese Angabe wurde ohne Angaben von Quellen oder Begründungen geschätzt. Unserer Erfahrung nach ist die Zustimmungsquote deutlich niedriger. Bei unklarer Quellenlage sollte unter ggf. 2-3 Szenarien jeweils weitergerechnet werden.

c. Ergänzung – Weitere gesetzliche Änderungen

Im uns vorliegenden Änderungsvorschlag werden lediglich die Änderungen im BGB und WEG thematisiert, unsere Petition forderte daneben auch Änderungen im  Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), für die Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV), Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV), Marktstammdatenregisterverordnung (MaStRV) und Marktstammdatenregisterverordnung (MaStRV), diese fehlen. Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung auch hier zügig Vorschläge machen wird (Solarpaket I).

  1. Zusammenfassung des Vorhabens 

Wir begrüßen das Vorhaben, zügig und parteiübergreifend – wie im Rahmen der Behandlung unserer Petition – alle notwendigen Vereinfachungen im Bereich Steckersolar zu erreichen, die in der Bevölkerungsmehrheit gefordert werden. Das stärkt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik im Allgemeinen und nimmt viele Menschen mit auf dem Weg der Energiewende.

Für Rückfragen und fachliche Beratung sowie für gemeinsame Veranstaltungen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne unter sm@balkon.solar zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,


Ihr Sebastian Müller

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