Solarpanels am Balkon

BalkonSolar bei der Freiburger Stadtbau: Wir hätten da ein paar Anmerkungen

Der Aufsichtsrat der Freiburger Stadtbau soll morgen das Thema BalkonSolar behandeln. Wir haben zu der breit kursierenden, aber nicht öffentlichen Vorlage einige Anmerkungen, die wir hier aufgeschrieben und dem Oberbürgermeister, Aufsichtsrat und der Geschäftsführung mitgeteilt haben.

Siehe auch unsere Projektskizze.

Stellungnahme Druckvorlage Nr. 2023/031 Informationsvorlage Solarstromerzeugung 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Horn,

Sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates,

wir haben aus mehreren Quellen die Druckvorlage Nr. 2023/031 Informationsvorlage Solarstromerzeugung zur Aufsichtsratssitzung am 24.11.22 erhalten. Grundsätzlich bedauern wir, dass bei solchen Fragen nicht vorher Experten und die Zivilgesellschaft angehört werden, bevor es zu einer Befassung kommt.

Zu einigen der aufgeworfenen Aspekte und Fragen möchten wir hier wie folgt Stellung beziehen:

Der Ausbau von Mieterstrommodellen und in Zukunft auch Erneuerbaren Energiegemeinschaften ist ein guter Ansatz, um auch Personen in Mietwohnungen finanziell zu begünstigen und an den positiven Auswirkungen der Energiewende teilhaben zu lassen. Durch Erneuerbare E

nergiegemeinschaften werden sogenannte Energy Sharings ermöglicht, sobald diese auf Bundesebene gesetzlich geregelt sind. Darüber hinaus bieten Mieterstromkonzepte eine Basis für den direkten Verbrauch und können dadurch Stromnetze entlasten.

Der eingeschlagene Weg, möglichst die gesamte Dachfläche auch über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus mit Solarpanels zu belegen, ist zu begrüßen.

Durch die fortschreitende Umstellung der Individualmobilität auf elektrisch betriebene Fahrzeuge und  die Elektrifizierung der Gebäudeheizung, aber auch durch den zunehmenden Kühlungsbedarf im Sommer, wird der Verbrauch von elektrischer Energie ansteigen. Gleichzeitig wird nachweislich der Primärenergieverbrauch deutlich sinken, da diese Umstellungen zu einer effizienteren Nutzung der Energie führen. 

Durch die Reduktion des Imports von Öl, Kohle und Gas steigt die Versorgungssicherheit und Deutschland gewinnt seine energetische Souveränität zurück.

Der Preis für Solarpanels ist in den vergangenen Monaten stark gesunken, teilweise wird ein Panel für Endverbraucher bereits ab 80 EUR für 400 W angeboten. Containerweise kosten Module zuzüglich Fracht ab Shanghai derzeit nur noch 45 EUR/Stück. Damit wird in vielen Anwendungsfällen die Belegung der Außenfassade mit Solarmodulen günstiger als etwa eine Fassade aus Putz und es ergeben sich neue Anwendungsfälle, auch bei weniger sonnigen Standorten. Auch die Belegung von Norddächern ist inzwischen wirtschaftlich. 

Solarpanels stehen inzwischen in vielen Spielarten zur Verfügung. Neben den gängigen Standardmodulen gibt es auch Leichtmodule aus Kunststoff, die am Balkon mit simplen Kabelbindern angebracht werden können; farbige Module, die die Farben von roten Dachziegeln imitieren oder Klebemodule, die auf weniger tragfähige Dächer oder Wände aufgeklebt werden können.

Neben dem vom Kabinett beschlossenen Solarpaket 1 wurde auch durch das Kabinett ein Gesetzesentwurf zur Änderung des BGB (Mietrecht) und Wohnungseigentumsgesetz in den Bundestag eingebracht.

Dieser Entwurf schafft sowohl für Mietende als auch Miteigentümer in einer Wohnungseigentumsgemeinschaft ein Recht auf die Nutzung von Stromerzeugung durch Steckersolargeräte. Im Wortlaut soll der neue § 554 BGB lauten: 

“1) Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchsschutz oder der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dienen.”

Richtigerweise beabsichtigt der Entwurf, die Hindernisse im Wohnungseigentumsrecht und dem Mietrecht bezüglich des Anbringens von Steckersolargeräten – nicht nur am Balkon – zu beseitigen. Er trägt damit zur Entbürokratisierung bei und schafft neue Freiheiten für die Bürger:innen, sich konstruktiv und kostensparend an der Energiewende zu beteiligen.

Wie der Entwurf ausführt, verringert sich der Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Personen, die bisher von den überbordenden Vorgaben, die viele große Vermieter ihren Mietenden aufbürden, abgeschreckt wurden und schon von vorhinein keine Anträge gestellt haben. Mit dem Bekanntwerden der gesetzlichen Rechte dürfte sich dies ändern und die Freiburger Stadtbau in kurzer Zeit mit einer Vielzahl von Anträgen konfrontiert sein. Der deutliche Preisverfall – so sind bei lokalen Freiburger Anbietern Komplettsets bereits unter 400 EUR für 800 Wp erhältlich – wird sein übriges tun.

Weitere Vereinfachungen, wie in der Vorlage ausgeführt, sind im kommenden Jahr durch die Verabschiedung einer neuen VDE-Norm zu erwarten. Diese soll die Nutzung von üblichen Schukosteckern dulden, die maximale Ausgangsleistung des Wechselrichters auf 800 W anheben und eine – wie auch immer geartete –  Zertifizierung einführen.

Dies wird im Zusammenspiel mit der gesetzlichen Regelung, dass die Ausgangsleistung des Wechselrichters bis zu 800 W betragen darf und Solarpanels mit einer Leistung von bis zu 2000 W angeschlossen werden dürfen, neue innovative Geräte ermöglichen, die auch Speicher beinhalten. Nicht zuletzt dadurch wird die Netzresilienz gestärkt. 

Leider führt die Vorlage nicht aus, wie sich die gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf Verkehrssicherungspflichten und der damit verbundenen Haftung des Gebäudebetreibers genau begründen. Dies wäre sowohl für die weitere politische Arbeit des BalkonSolar Vereins, als auch für die fachliche Diskussion sehr sinnvoll und wünschenswert.

Wir gehen davon aus, dass die Kosten für eine elektrische Vorprüfung der Wohnung oder gar des gesamten Gebäudes, wie auch die daraus resultierenden Renovierungsarbeiten, von der Freiburger Stadtbau getragen werden.

Übliche Haftpflicht- und Hausratversicherungen versichern inzwischen auch die aus einer bestimmungsgemäßen Anbringung von Balkonsolargeräten resultierenden möglichen Haftungsfälle. Weitere Informationen finden Sie dazu bei https://balkon.solar/versicherung.

Üblicherweise benötigen Balkonsolargeräte keine baulichen Veränderungen an den Geländern der Balkone oder der Hauselektrik. Es sind inzwischen für nahezu alle Arten von Balkonen fertige Befestigungssysteme verfügbar (siehe: https://balkon.solar/montage/). Hier kommen Innovationen und vorausblickendes Unternehmertum wieder einmal aus Freiburg: Die Freiburger Balkonsolarunternehmen ETM Solar und solisar.solar sind erfolgreich deutschlandweit tätig und haben eigene Befestigungsysteme entwickelt, die an eine Vielzahl von Balkonen angebracht werden können. 

Mit der Klarstellung des DIBt:Anders als bei PV-Anlagen, die mit dem Stromkreis fest verbunden werden und bei denen die Verbindung zwischen baulicher Anlage und Stromquelle nicht ohne weiteres aufzulösen ist, kann bei „Balkonkraftwerken“ die Verbindung zur baulichen Anlage im Hinblick auf die Energieeinspeisung durch das einfache Ziehen des Steckers wieder gelöst und das „Balkonkraftwerk“ beliebig durch den Nutzer (z.B. bei Auszug eines Mieters) vom Balkon einfach und ohne großen Aufwand abmontiert werden. Da in diesem Fall die PV-Module nicht dauerhaft in die bauliche Anlage eingebaut werden, sind sie keine Bauprodukte i.S.d. § 2 Abs. 10 Nr. 1 MBO.”

Hier ist auch die bauaufsichtsrechtliche Zulassung für Balkonsolargeräte entfallen, was die Verwendung von Standard-Solarmodulen auch ohne eine solche Zulassung möglich macht. 

Wir gehen davon aus, dass die Gestaltungssatzung(en) kein Hindernis für die Aufstellung von Balkonsolargeräten darstellen. Sollten sich aus diesen dennoch Hindernisse ergeben, bitten wir uns diese im Detail mitzuteilen, damit wir das politisch thematisieren können. 

Eine mögliche Blendwirkung von Balkonsolargeräten ist vernachlässigbar. Aktuelles Solarglas wirft weniger als 3% des eingestrahlten Lichts zurück. Würde es viel Licht zurückwerfen – was bei Fensterglas durchaus berechtigt sein kann – würde dieses Licht bei den darunter liegenden Solarzellen nicht ankommen und deren Leistung mindern. Eine Blendwirkung von Solarpanels war vor allem ein Problem von alten Anlagen, die zu Beginn der 2000er Jahre in Betrieb genommen wurden, da damals andere Gläser verwendet wurden. Darüber hinaus blendet eine kleine Fläche von derzeit etwa zwei Panels an einem Balkon deutlich weniger als eine massive Dachanlage mit zahlreichen Panels oder als Fensterglas.

Wir gehen davon aus, dass sich die “zertifizierten Anlagen“ derzeit auf die Vorlage eines zertifizierten Wechselrichters beziehen, da es für die gesamte Anlage noch keine Vorgaben für Zertifizierung gibt. 

Wir gehen ebenfalls davon aus, dass sich der Passus “fachgerechte Installation”, auch dadurch erfüllen lässt, dass der Mietende die Anlage fachgerecht selbst, aber nicht durch einen Fachbetrieb installieren lässt. Gerade durch die Abbringung der Anlage durch einen Handwerker mit Fachunternehmererklärung entstehen regelmäßig hohe Kosten, die die Amortisation der Anlage erschweren und auch gerade für Menschen mit geringem Einkommen eine solche Anlage unerschwinglich machen. Außerdem steht der Handwerker dadurch anderen Tätigkeiten weniger zur Verfügung, was dem Fachkräftemangel keine Rechnung trägt. Ein Balkonsolargerät kann ohne besondere elektrische Kenntnisse angeschlossen werden.  Dabei besteht gerade der Vorteil in der eigenen Anbringung eines Balkonsolargerätes darin, dass keine knappe Arbeitszeit eines Elektrikers beansprucht wird. 

Wir gehen davon aus, dass selbst bei der Inanspruchnahme der gesamten Balkonbrüstung die Funktion als zweiter Rettungsweg bestehen bleibt. Feuerwehren in Deutschland legen in der Regel keine Leiter an ein brennendes Gebäude, sondern nutzen eine fahrbare Drehleiter, die keine Verankerung am Gebäude braucht. 

Für die Anbringung von Balkonsolargeräten an Hochhäusern gibt es in Deutschland derzeit wenig Erfahrungen. Hierfür wäre es sinnvoll, zusammen mit lokalen Herstellern (wie solarhook, solisar.solar), in Großprojekten dieser Art erfahrenen Einzelpersonen (Jörg Lange von Klimaschutz im Bundestag e.V., der bereits für sein Haus Gestelle hat statisch durchrechnen lassen) und interessierten Organisationen wie der Deutschen Umwelthilfe, zusammenzuarbeiten, um eine Halterung zu entwickeln, die auch in weiteren Hochhäusern eingesetzt werden kann. Auch das Forum Weingarten ist an diesem Thema interessiert. Eine Finanzierung wäre über den Innovationsfonds der Badenova, den Zukunftsfonds der Stadt Freiburg und möglicherweise auch über die Deutsche Umweltstiftung denkbar. 

Wir schlagen vor, das in der Vorlage angedacht Pilotprojekt schnellstmöglich durchzuführen und etwa eine Häuserzeile in Freiburg-Haslach noch in diesem Jahr mit Steckersolargeräten auszustatten und die dabei gewonnen Erfahrungen auszuwerten. Mit den Absolventen des Solarcamps stehen dabei auch kurzfristig Personen zur Verfügung, die die Arbeiten ausführen können. Für eine konstruktive Begleitung stehen wir gerne zur Verfügung. 

Dies wäre auch möglich, wenn sich die FSB dazu entschließt, keine separaten Außensteckdosen anbringen zu lassen, sondern den Strom über spezielle Kabel zur Fensterdurchführung zu leiten und den Wechselrichter im Inneren der Wohnung zu platzieren. Auch dafür hält die Industrie eine Vielzahl von Lösungen bereit. 

Gegenstand der vom Solarcamp Freiburg durchgeführten Ausbildung war auch das fachmännische Anbringen von Solargeräten am Balkon. Es stehen daher in Freiburg ausreichend willige und fähige Personen zur Verfügung, gegen eine übliche Entlohnung, solche Geräte anzubringen (https://solarcamp-freiburg.de/).

Teilnehmende des Solarcamps planen derzeit eine Aktion, um eines oder mehrere Gebäude, die vorwiegend von Personen mit geringem Einkommen bewohnt sind, mit Steckersolargeräten auszustatten. 

Der in der Vorlage beschriebene Zustand mit drei (!) Balkonsolargeräten auf den Gesamtbestand von über 11.000 Wohnungen ist weit unterdurchschnittlich und erreicht auch nicht die selbst gesteckte Ziele und Werte: “soziale Verantwortung, handeln mit ökologischer und ökonomischer Weitsicht und bringen den Mut zu Innovationen mit” bzw.  “Wir unterstützen aktiv die Umwelt- und Klimaschutzziele der Stadt Freiburg. (…) Wir reduzieren CO2-Emissionen durch Solarstromerzeugung (…) Wir setzen zukunftsfähige Impulse.”

Der gegenwärtige Zustand ist für eine Stadt, die sich selbst zum Ziel gesetzt hat, “Green City” zu sein, nicht vorzeigbar. Andere Wohnungsbaugesellschaften und auch private Vermieter sind hier bereits deutlich weiter.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung und verbleiben mit freundlichen Grüßen

Sebastian Müller, Simone Herpich, Thomas Hertle
(Vorstand Balkon Solar)

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