Wir haben anlässlich des geplanten „Osterpakets“ der Bundesregierung einen Brief an die Freiburger Bundestagsabgeordnete Chantal Kopf und an die Staatssekretärin Franziska Brantner geschrieben.
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Dr. Brantner,
sehr geehrte Frau Abgeordnete Kopf,
sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf die Frage unseres Mitglieds Sebastian Müller, am Rande der Mitgliederversammlung der Grünen, übersende ich Ihnen hiermit diesen Brief.
Balkonsolaranlagen (sogenannnte “Mini-PV” oder Balkonsolargeärte) bestehen aus einem oder zwei Solarmodulen, einem Wechselrichter und einem Stecker. Sobald Sonne auf das Solarmodul fällt, erzeugt es Gleichstrom, der Wechselrichter wandelt diesen Gleichstrom in Wechselstrom um, den wir im Haushalt benötigen.
Über eine Steckdose wird dieser umweltfreundliche Ökostrom dann ins Hausnetz eingespeist. Dort dient er zunächst dazu, den lokalen Bedarf der eigenen Geräte, etwa Kühlschrank, Router oder Laptop abzudecken. Was nicht benötigt wird, geht dann als Überschuss und aktuell unvergütet über den Zähler ins Stromnetz. Braucht man mehr Strom, als vom Balkonsolargerät erzeugt wird, holen sich die Geräte den Strom wie sonst auch über das normale Stromnetz.
Wer sich als einfacher Mieter oder Miteigentümer ein Solarpanel aufstellen und damit Strom erzeugen möchte, wird in Deutschland nicht etwa unterstützt, sondern nach wie vor durch rechtliche, regulatorische und bürokratische Einschränkungen und Hürden darin behindert und massiv davon abgeschreckt, bis hin zur praktischen Unmöglichkeit der Realisierung.
Balkonkraftwerke sind risikofrei realisierbar, werden durch private Initiative getragen und helfen uns unsere eigene Energie sauber und unabhängig zu erzeugen. Aktuell wird die Realisierung dieser Anlagen durch die Gesetzgebung und Beschränkungen verhindert und gehemmt. Durch eine einfache Maßnahme können Millionen Haushalte und Unternehmen schnell und noch in diesem Jahr dazu animiert werden, dezentrale Erzeugungsanlagen zu installieren. Wir sollten dieses Momentum nutzen und bürokratische Hürden ohne jedes Risiko sofort abbauen, so wie es andere Länder in Europa bereits seit Jahren vormachen.
Pro Kalenderjahr können durchschnittliche Haushalte bei einem Verbrauch von 2.000 bis 2.500 Kilowattstunden bis zu 30 % der benötigten elektrischen Haushaltsenergie durch kleine Balkonkraftwerke abdecken.
Wir schlagen deshalb folgende, kostenneutrale Maßnahmen vor, die die Aufstellung solcher Anlagen deutlich vereinfachen:
- Die Anmeldepflicht der Anlagen bei den zuständigen Netzbetreibern sollte sofort entfallen. Der Aufwand der Anmeldung steht für die Netzbetreiber in keinem Verhältnis zum Nutzen, besonders bei den minimalen Erzeugerleistungenbis 600Wp.
- Die Pflicht zum Zählerwechsel ausgelöst durch Balkonkraftwerke muss gänzlich entfallen. Vielerorts sind noch alte mechanische Ferraris-Zähler verbaut, deren Wechsel durch einen Fachmonteureinsatz wirtschaftlicher Unsinn ist, und gerade in Altanlagen immense Kosten durch Komplettumbau der Zählerplätze erfordern kann. Weiterhin verursacht eine moderne Messeinrichtung i.d.R. Mehrkosten von 10€/Jahr für den Kunden, ohne direkten Nutzen für diesen. Zudem wird der Zählertausch von einigen Energieversorgern ihren Kunden mit dreistelligen Beträgen in Rechnung gestellt, was erneut die Wirtschaftlichkeit des Balkonkraftwerks ad absurdum führt und von vielen EVUs explizit als Drohkulisse gegen den Anschluss von Balkon-PVs genutzt wird.
Eine nicht vorhandene Rücklaufsperre und die mögliche Verringerung des Zählerstands erfüllt aktuell in Deutschland möglicherweise den Straftatbestand der Steuerhinterziehung – ist aber aufgrund der verschwindend geringen Rückspeiseenergien (weniger als 10 EUR) praktisch irrelevant. Die Bundesregierung ist hier angeraten, eine gesetzliche Bagatellregelung für den Anschluss von privaten und nicht einspeisevergüteten Balkonsolargeräten einzuführen, die weder Zählertausch noch Rücklaufsperre erfordert, es dementsprechend klar toleriert, wenn der Zähler bei Übereinspeisung rückwärts dreht, und den möglichen Straftatbestand der Steuerhinterziehung klar ausräumt. - Kunden, die vorzeitig eine moderne Messeinrichtung einbauen lassen wollen, sollten für den Zählerwechsel nichts bezahlen müssen. Das würde die Einführung moderner Messeinrichtungen zusätzlich beschleunigen.
- Balkonsolargeräte oder andere bewegliche Kleinsolargeräte sollten im Rahmen einer Bagatelleregelung von der Anmeldung Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur ausgenommen werden.
- Weiterhin sollte die EU-Bagatellgrenze von 800 Watt in Deutschland schnellstens umgesetzt werden.
- Das Wirtschaftsministerium sollte sich dafür einsetzen, dass die Anforderung an einen speziellen Einspeisestecker entfallen. Bei sowieso vorgeschriebenem vorhandenem Inselschutz des Wechselrichters und IP54-Steckern im Außenbereich reicht eine normale Schuko-Steckdose für den Anschluss von Balkon-Solaranlagen vollkommen aus. Die VDE Norm muss entsprechend angepasst werden. Diese würde auch zur Harmonisierung der Vorschriften im EU Binnenmarkt beitragen, da diese Vorschrift in Deutschland einzigartig ist – in Ländern wie den Niederlanden, der Schweiz oder Österreich gibt es sie nicht. Jahrelange Betriebserfahrung dort hat bewiesen, dass dies völlig problemlos möglich ist.
Aus unserer Sicht stellt sich diesbezüglich auch die Frage, inwieweit der Zwang zur Verwendung eines speziellen Bauteils, für das es praktisch nur einen einzigen Hersteller gibt, der auch in ebendiesem normengebendem Verband aktiv vertreten ist („Wieland Stecker/Steckdose“), einen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht/Compliance und Monopolstellung darstellt.
Weiterhin besteht in vielen Bestandsanlagen mit „Bestandsschutz“ das Problem, dass eine Nachrüstung oder Tausch in eine speziellen Einspeisesteckdose rechtlich einer Veränderung der Anlage gleichkommt, die in vielen Fällen nicht durchgeführt werden darf, ohne den Bestandsschutz zu verlieren (z.B. Nachrüstung FI für Steckerverbindungen, Gebäude mit „klassischer Nullung“ / TN-C-Netzform). Es handelt sich hier wohlgemerkt um Anlagen, die zum Zeitpunkt der Errichtung allen technischen Vorschriften entsprachen und die so noch Jahrzehntelang in Betrieb bleiben können und werden, mit erlaubten Dauerlasten von Verbrauchern im Kilowattbereich – der Anschluss von Balkon-PVs mit kurzzeitig 600-800W maximal wird dadurch aber quasi verboten. - Bei Balkonen, Terrassen, Gärten, Carports und Garagen die lediglich angemietet sind, fordern wir ein Recht auf eigene Erzeugung und eine explizite Duldungspflicht durch den Vermieter für Balkon-Solarkraftwerken auf gemieteten Balkons und Terrassen. Vermieter, Eigentümerversammlungen und Kommunen dürfen nicht aus optischen Gründen die Energiewende gefährden! Desweiteren werden häufig auch andere Gründe vorgeschoben.
Dabei gibt es zahlreiche Gründe, den Einsatz und die Verbreitung von Balkonsolargeräten in Deutschland zu fördern:
- pro Balkonkraftwerk mit 600W werden in jedem Jahr ca. 600 kWh erzeugt. Technisch möglich wären bis zu 1,8 MWh pro Erzeuger, bei 1.600.000 Anlagen entspräche das ca. 1-3 Terawattstunden pro Jahr.
- Die Möglichkeit selbst seine Energie zu erzeugen und einen eigenen Teil beizutragen steckt an und bringt Dynamik. Aus unserer Arbeit wissen wir, das auf die erste Anlage in der Straße, schnell weitere folgen.
- Weiterhin erfolgt in vielen Haushalten automatisch ein Umdenken und ein bewussterer Stromverbrauch mit einem Balkonkraftwerk.
- Alleine in Deutschland gibt es 58 Mio Personen mit Zugriff auf einen Balkon sowie 16 Mio Einfamilienhäuser, die zumeist über Flächen im Garten, auf Carports oder Terrassen verfügen.
- Solarparks benötigen viele Monate, bis sie betriebsbereit sind. In Wohneigentümergemeinschaften braucht es häufig lange Diskussionen bis Dächer vermietet oder zur Solaren Energieerzeugung genutzt werden. Balkonkraftwerke dagegen können in wenigen Tagen installiert werden und erlauben auch Haushalten mit geringem Einkommen an der Energiewende teilzunehmen.
- Balkonkraftwerk sind netzentlastend
- Für Balkonkraftwerke gibt es keine EEG-Vergütung – diese Energie ist subventionsfrei! Pro Terawatt installierter Leistung entspricht das 63 Millionen Euro Subventionsersparnis pro Jahr!
Dank des technischen Fortschritts, auch deutscher Firmen wie etwa AEconversion GmbH, einem der Marktführer bei der Herstellung der benötigten Mikrowechselrichter, böte sich hier auch eine gute Chance durch Industriepolitik den Solarstandort Deutschland zu fördern. Sicher und gefahrlos ist der Anschluss solcher Anlage mit Schukostecker auch heute schon ohne Elektriker möglich, die häufig für Aufträge dieser Größe gar keine Lust oder Kapazitäten haben.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zu weiteren Gesprächen zur Verfügung und freuen uns über ein Gesprächsangebot.